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Ergebnisse
der Jalta-Konferenz
Über die
Ergebnisse der Dreierkonferenz auf der Krim wurde eine
gemeinsame Erklärung der drei Regierungschefs veröffentlicht, die laut
dem amtlichen Text des State Department der Vereinigten Staaten folgenden
Wortlaut hatte:
"Der Premierminister von Grossbritannien,
Winston S. Churchill, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,
Franklin D. Roosevelt, und der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Marschall J. V. Stalin,
haben in den letzten acht Tagen, zusammen mit ihren Aussenministern, den
Stabschefs und anderen Ratgebern, in der Krim eine Konferenz abgehalten.
Die drei Regierungchefs geben folgende Erklärung über die Ergebnisse der
Konferenz in der Krim ab:
Die Besiegung Deutschlands. Wir haben die
militärischen Pläne der drei alliierten Grossmächte für die
endgültige Niederzwingung des gemeinsamen Feindes erwogen und festgelegt.
Die militärischen Stäbe der drei alliierten Nationen haben während der
ganzen Dauer der Konferenz täglich gemeinsame Beratungen abgehalten.
Diese Beratungen erwiesen sich in jeder Hinsicht als höchst
zufriedenstellend und haben zu einer engeren Koordinierung des
militärischen Einsatzes der drei alliierten Grossmächte geführt als je
zuvor. Die Teilnehmer haben einander Aufschlüsse in reichstem Masse
gegeben. Der Zeitpunkt, das Ausmass und die Koordinierung neuer, noch
wuchtigerer Schläge unserer Land- und Luftstreitkräfte wurden in voller
Übereinstimmung festgelegt und im einzelnen geplant. Diese Schläge
werden gegen das Mark des Deutschen Reichs geführt werden, vom Osten,
Westen, Norden und Süden. Unsere einheitliche militärische Planung wird
erst in ihrer Durchführung sichtbar werden. Wir glauben jedoch, dass die
bei dieser Konferenz erzielte, überaus enge Arbeitsgemeinschaft der drei
Stäbe zu einer Abkürzung des Krieges führen wird. Die Beratungen der
drei Stäbe werden fortgeführt werden, wann immer es nötig erscheinen
wird. Nazideutschland ist dem Untergang geweiht. Alle Versuche zur
Fortsetzung eines aussichtslosen Widerstandes können nur dazu führen,
dass das deutsche Volk die Niederlage noch schwerer zu bezahlen haben
wird.
Die Besetzung und Überwachung Deutschlands.
Wir haben eine einheitliche Politik und Planung festgelegt zwecks
Durchsetzung der Bestimmungen, die wir - sobald bewaffneter deutscher
Widerstand für immer zerschlagen sein wird - auf Grund der
bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlandgemeinsam auferlegen werden.
Diese Bestimmungen werden erst nach der endgültigen Niederzwingung
Deutschlands bekanntgegeben werden. Die Streitkräfte jeder der drei
alliierten Mächte werden auf Grund eines gemeinsamen Plans je eine Zone
Deutschlands besetzen. Der Plan sieht einheitliche Verwaltung und
Kontrolle durch eine Zentral-Kontrollkommission vor, bestehend aus den
obersten Befehlshabern der drei alliierten Mächte. Sitz der
Zentral-Kontrollkommission wird Berlin sein. Es wurde vereinbart, dass
Frankreich von den drei Mächten aufgefordert werden soll, die Besetzung
einer eigenen Zone durchzuführen, falls dies seinen Wünschen entspricht,
und der Zentral-Kontrollkommission als viertes Mitglied beizutreten. Die
Abgrenzung der von Frankreich zu besetzenden Zone wird von den
interessierten Regierungen durch ihre Vertreter im Europäischen
Beratungsausschuss gemeinsam festgelegt werden. Es ist unser unbeugsamer
Wille, den deutschen Militarismus und das deutsche Nazitum auszurotten und
dafür zu sorgen, dass Deutschland nie wieder in der Lage sein wird, den
Frieden der Welt zu stören. Wir sind entschlossen, alle bewaffneten
Verbände Deutschlands zu entwaffnen und aufzulösen; den deutschen
Generalstab ein für allemal zu zerschlagen, den Generalstab, der immer
wieder Mittel und Wege zur Wiedererstarkung des deutschen Militarismus
gefunden hat; alles deutsche Militärgerät zu entfernen oder zu
zerstören; jede deutsche Industrie, die für militärische Produktion
verwendet werden könnte, auszumerzen oder zu überwachen; alle
Kriegsverbrecher gerechter und schneller Bestrafung zuzuführen und für
alle von den Deutschen verursachten Zerstörungen Wiedergutmachung in
entsprechenden Leistungen zu erzwingen; die Nazipartei, die Nazigesetze,
Organisationen und Einrichtungen sowie jeden nationalsozialistischen oder
militaristischen Einfluss in öffentlichen Ämtern und im kulturellen und
wirtschaftlichen Leben des deutschen Volkes auszumerzen; und im
Einvernehmen miteinander jede andere Massnahme in Deutschland
durchzuführen, die für den künftigen Frieden und die Sicherheit der
Welt notwendig erscheint. Es ist nicht unser Ziel, das deutsche Volk zu
vernichten, aber erst nach der Ausrottung des Nazitums und des
Militarismus wird Hoffnung auf ein anständiges Leben für Deutsche
bestehen und auf einen Platz für sie in der Gemeinschaft der Nationen.
Wiedergutmachung durch Deutschland. Wir haben
die Frage des Schadens geprüft, den Deutschland den alliierten Mächten
in diesem Krieg zugefügt hat, und es als gerecht befunden, dass
Deutschland zur Wiedergutmachung dieser Schäden durch entsprechende
Leistungen in möglichst grossem Umfange verpflichtet werde. Eine
Wiedergutmachungskommission wird geschaffen werden mit dem Auftrag, die
Frage zu prüfen, in welchem Ausmass und auf welche Weise Deutschland den
Schaden wiedergutzumachen hat, den es den alliierten Ländern zugefügt
hat. Sitz der Kommission wird Moskau sein.
Konferenz der Vereinten Nationen. Wir sind
entschlossen, so schnell wie möglich, gemeinsam mit unseren Alliierten,
eine allgemeine internationale Organisation zur Aufrechterhaltung von
Frieden und Sicherheit zu schaffen. Wir sind der Ansicht, dass dies
wesentlich ist, um so durch dauernde enge Zusammenarbeit aller
friedliebender Völker Angriffskriege zu verhindern sowie die politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Kriegsursachen zu beseitigen. Die Grundlage
dafür wurden in Dumbarton Oaks geschaffen (61 B). Damals wurde jedoch
über die wichtige Frage des Abstimmungsverfahrens kein Einverständnis
erzielt. Auf der Konferenz ist es gelungen, diese Schwierigkeit aus dem
Wege zu schaffen. Wir haben beschlossen, für den 25. April 1945 eine
Konferenz der Vereinten Nationen nach San Franzisco einzuberufen, um die
Charta dieser Organisation auszuarbeiten gemäss den Richtlinien, die in
den zwanglosen Unterhaltungen in Dumbarton Oaks vorgeschlagen wurden. Die
Regierung von China und die provisorische Regierung Frankreichs werden
unverzüglich zu Rate gezogen und eingeladen werden, gemeinsam mit den
Regierungen der ereinigten Staaten, Grossbritanniens und der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken die Einladungen zu der Konferenz zu
zeichnen. Der Text der Vorschläge über das Abstimmungsverfahren wird
nach Abschluss der Beratungen mit China und Frankreich veröffentlicht
werden (127 C). Erklärung über das befreite Europa. Der Premier der
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der Premierminister des
Vereinigten Königreichs und der Präsident der Vereinigten Staaten von
Amerika haben im gemeinsamen Interesse der Völker ihrer Länder und der
Völker des befreiten Europas miteinander Rücksprache gepflogen. Sie
verkünden gemeinsam ihr Einverständnis dahingehend, dass während der
vorübergehenden Periode schwankender Zustände im befreiten Europa ihre
drei Regierungen in Verfolgung einer gemeinsamen Politik den von der
Herrschaft Nazideutschlands befreiten Völkern Europas und den Völkern
der früheren europäischen Vasallenstaaten der Achse bei der Lösung
ihrer dringenden politischen und wirtschaftlichen Probleme auf
demokratischer Grundlage Hilfe leisten wollen. Die Herstellung der Ordnung
in Europa und der Wiederaufbau eines nationalen Wirtschaftslebens müssen
durch Mittel erreicht werden, die den befreiten Völkern die Möglichkeit
geben, auch die letzten Spuren des Nationalsozialismus und des Faschismus
zu vertilgen und demokratische Einrichtungen ihrer eigenen Wahl zu
schaffen. Dies ist einer der Grundsätze der Atlantik-Charta (10 C) - das
Recht aller Völker, die Regierungsform zu wählen, unter der sie leben
wollen - , die Wiederherstellung der souveränen Rechte und der
Selbstregierung jener Völker, die durch die Angreifernationen dieser
Rechte mit Gewalt beraubt wurden. Um Zustände herbeizuführen, die es den
befreiten Völkern ermöglichen, diese Rechte auszuüben, werden die drei
Regierungen gemeinsam allen Völkern in allen befreiten europäischen
Staaten und früheren Vasallenstaaten der Achse in Europa Hilfe leisten,
in denen ihrer Ansicht nach die Lage folgendes erfordert: a) die
Herstellung friedlicher Zustände innerhalb des Landes, b) die
Durchführung von Sondermassnahmen zur Linderung der Not, c) die Schaffung
einer provisorischen Regierungsbehörde, in der auf breiter Grundlage alle
demokratischen Elemente der Bevölkerung vertreten sind und die sich
verpflichtet, so schnell wie möglich auf Grund freier Wahlen eine
Regierung einzusetzen, die sich nach dem Willen des Volkes richtet, und d)
- wo dies notwendig sein sollte - Beistand in der Abhaltung solcher freien
Wahlen. Die Regierungen der drei Mächte werden mit den anderen Vereinten
Nationen sowie mit den provisorischen und anderen Regierungen in Europa
Rücksprache pflegen, wenn deren Interessen unmittelbar berührt sind.
Wenn nach Ansicht der drei Regierungen die Lage in einem der befreiten
europäischen Staaten oder einem der früheren Vasallenstaaten der Achse
in Europa ein solches Vorgehen notwendig macht, werden die drei
Regierungen - in Erfüllung der in dieser Erklärung gemeinsam
übernommenen Verpflichtung - unverzüglich über die zu ergreifenden
Massnahmen miteinander beraten. Durch diese Erklärung bekräftigen wir
von neuem unseren Glauben an die Grundsätze der Atlantik-Charta (10 C)
unser Gelöbnis in der Erklärung der Vereinten Nationen und unsere
Entschlossenheit, im Zusammenwirken mit anderen friedliebenden Nationen
eine Weltordnung des Rechts zu schaffen, gewidmet dem Frieden, der
Sicherheit, der Freiheit und der allgemeinen Wohlfahrt der Menschheit. Die
drei Mächte geben diese Erklärung ab in der Hoffnung, dass die
Provisorische Regierung der französischen Republik sich ihnen bei der
Durchführung ihrer Vorschläge anschliessen werde.
Polen. In Polen besteht als Ergebnis der
völligen Befreiung des Landes durch die Rote Armee eine neue Lage. Aus
dieser Tatsache ergibt sich die Forderung nach Errichtung einer polnischen
provisorischen Regierung auf breiterer Grundlage, als es vor der jüngst
durchgeführten Befreiung Westpolens möglich gewesen wäre. Die
provisorische Regierung, die gegenwärtig in Polen im Amt ist (5C), soll
daher auf breiterer, demokratischer Grundlage umgebildet werden, unter
Einschluss demokratischer Führer, die im Lande leben, und von Polen im
Auslande. Der Name dieser neuen Regierung soll sein: "Provisorische
Polnische Regierung Nationaler Einigkeit". Aussenkommissar Molotow,
der amerikanische Botschafter Harriman und der britische Botschafter Sir
Archibald Clark Kerr sind ermächtigt, als Ausschuss zunächst in Moskau
mit Mitgliedern der gegenwärtigen provisorischen Regierung sowie mit
anderen führenden polnischen Demokraten in Polen und ausserhalb Polens in
Fühlung zu treten mit dem Ziele der Umbildung der gegenwärtigen
Regierung gemäss den oben erwähnten Richtlinien. Diese Provisorische
Polnische Regierung Nationaler Einigkeit soll die Verpflichtung
übernehmen, sobald wie möglich auf Grund des allgemeinen und geheimen
Wahlrechts freie und unbehinderte Wahlen durchzuführen. Allen
demokratischen und nazifeindlichen Parteien Polens soll bei diesen Wahlen
das Recht der Beteligung und der Aufstellung von Kandidaten zustehen.
Sobald eine Provisorische Polnische Regierung Nationaler Einigkeit im
Einklang mit den erwähnten Richtlinien gebildet sein wird, werden die
Regierung der Sowjetunion, die zur Zeit diplomatische Beziehungen mit der
gegenwärtigen provisorischen Regierung Polens unterhält sowie die
Regierung des Vereinigten Königreichs und die Regierung der Vereinigten
Staaten von Amerika mit der neuen Provisorischen Polnischen Regierung
Nationaler Einigkeit diplomatische Beziehungen aufnehmen und Botschafter
bestellen, deren Berichte ihre Regierung über die Lage in Polen auf dem
laufenden halten werden. Die drei Regierungschefs sind der Ansicht, dass
die Ostgrenze Polens der Curzon-Linie mit Abweichungen in einigen Gebieten
von fünf bis acht Kilometer zugunsten Polens folgen soll. Sie erkennen
an, dass Polen im Norden und Westen einen beträchtlichen Gebietszuwachs
erhalten muss. Sie finden, dass zur gegebenen Zeit die Meinung der neuen
Provisorischen Polnischen Regierung Nationaler Einigkeit bezüglich des
Ausmasses dieser Gebietserweiterungen festgestellt und die endgültige
Festlegung der Westgrenze Polens dann bis zur Friedenskonferenz vertagt
werden sollte (5. Spalte von 5 C). Jugoslawien: Wir sind übereingekommen;
Marschall Tito und Dr. Subasic zu empfehlen, das zwischen ihnen
geschlossene Abkommen (29 A, 7. Sp.) sofort in Kraft zu setzen und auf der
Grundlage dieses Abkommens eine neue Regierung zu bilden. Wir empfehlen
ferner, dass die neue Regierung sogleich nach ihrem Zusammentritt eine
Erklärung folgenden Inhaltes abgeben: Die Antifaschistische Versammlung
der Nationalen Befreiung (AVNOJ, siehe: 29 A, Ende) wird erweitert und
soll künftig Mitglieder des letzten jugoslawischen Parlaments
einschliessen, die sich nicht durch Zusammenarbeit mit dem Feinde
kompromittiert haben; die so gebildete Körperschaft wird als ein
vorläufiges Parlament gelten. 2. Die von der Antifaschistischen
Versammlung der Nationalen Befreiung erlassenen Gesetze bedürfen
nachträglicher Bestätigung durch eine verfassungsgebende Versammlung.
Andere Balkanfragen waren ebenfalls Gegenstand seiner allgemeinen
Erörterung. Besprechungen der Aussenminister. Während der Konferenz
fanden - abgesehen von den täglichen Besprechungen der Regierungschefs
und der Aussenminister - tägliche Besprechungen der drei Aussenminister
mit ihren Fachberatern statt. Diese Besprechungen haben sich als
ausserordentlich wertvoll erwiesen, und die Konferenz war sich einig
darüber, dass dauernde Einrichtungen für regelmässige Beratungen
zwischen den drei Aussenministern getroffen werden sollten. Diese werden
daher zusammentreten, sooft sich die Notwendigkeit hierzu ergeben sollte,
voraussichtlich etwa alle drei oder vier Monate. Diese Besprechungen
werden abwechselnd in den drei Hauptstädten stattfinden, die erste - nach
der Konferenz der Vereinten Nationen zur Schaffung einer Weltorganisation
- in London. Einigkeit im Frieden wie im Krieg. Unsere Besprechungen hier
in der Krim haben neuerlich die uns gemeinsame Entschlossenheit bestärkt.
Im kommenden Frieden die Einigkeit in der Zielsetzung und im Handeln zu
erhalten und noch zu festigen die im Krieg den Sieg der Vereinten Nationen
ermöglicht und gesichert hat. Es ist unser Glaube, dass diese Einigkeit
eine heilige Verpflichtung unserer Regierungen gegenüber unseren Völkern
und allen Völkern der Welt ist nur wenn die Zusammenarbeit und das
Verständnis zwischen unseren drei Völkern und zwischen allen
friedliebenden Nationen andauert und wächst, kann das höchste Ziel der
Menschheit verwirklicht werden ein ungefährdeter, dauernder Friede, der,
nach den Worten der Atlantik-Charta (10 C), "Gewähr dafür bietet,
dass alle Menschen in allen Ländern ihr Lehen frei von Furcht und Not
verbringen und beenden können. Unser Sieg in diesem Kriege und die
Schaffung der geplanten Internationalen Organisation werden eine in der
Geschichte in solcher Grösse noch nie vorhandene Gelegenheit bieten, in
den kommenden Jahren die notwendigen Voraussetzungen für einen solchen
Frieden zu schaffen."
Gezeichnet: Winston S. Churchill, Franklin D.
Roosevelt, J. Stalin.
Aus: Archiv
der Gegenwart, Siegler & Co Verlag Königswinter 1998, 11.02.1945/00087
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