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Dubcek und Gorbatschow:

1987 wurde der sowjetische
Pressesprecher Gerasimow
von Journalisten nach dem
Unterschied zwischen
Gorbatschow und Dubcek
gefragt. Er antwortete
in zwei Worten:
"Neunzehn Jahre."
4

Alexander Dubcek
Alexander Dubcek,
(1921-1992), Politiker der
ehemaligen CSSR,
Mitinitiator und Symbol des
tschechoslowakischen
Reformkommunismus.

Der Prager Frühling

Nach dem Tod Stalins im Jahre 1953 und insbesondere nach dem 20. Parteitag der KPdSU im Jahre 1956 setzte in der Sowjetunion sowie den meisten anderen Staaten des Ostblocks eine "Tauwetterperiode"1 ein. Die seit 1948 unter kommunistischer Führung stehende Tschechoslowakei war von dieser politischen Liberalisierung weitgehend unberührt geblieben. Dafür verantwortlich war vor allem der amtierende Partei- und Staatschef Antonin Novotny, der am orthodoxen Kurs festhielt und sich gegen politische Reformen aussprach.

Nachdem es im Herbst 1967 zu innenpolitischen Unruhen, Studentendemonstrationen und Angriffen auf die politische Führung seitens des tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes gekommen war, wurde Novotny am 5. Januar 1968 als Parteichef der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KPC) abgesetzt und durch den Reformpolitiker Alexander Dubcek ersetzt. Wenig später verlor Novotny auch das Amt des Staatspräsidenten, welches an General Ludvik Svoboda ging.

Die neue Führung sah ein umfassendes politisches Reformprogramm unter dem Schlagwort "Sozialismus mit menschlichem Antlitz"2 vor. Darin eingebettet waren "Pressefreiheit und Aufhebung der Zensur, Demokratisierung, Versammlungsfreiheit, Abbau des Zentralismus und wirtschaftliche Reformen mit einem Abrücken von der Planwirtschaft."3 Obwohl diese Reformen beabsichtigten, das Machtmonopol der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei einzuschränken, wurde das betreffende Reformprogramm verabschiedet und der neue Ministerpräsident Oldrich Cernik begann sogleich mit dessen Umsetzung.

Doch die rasche innenpolitische Liberalisierung in der Tschechoslowakei stiess besonders in der Sowjetunion auf heftige Ablehnung; daran änderte auch die Beteuerung der tschechoslowakischen Regierung nichts, die versicherte, dass sie weiterhin im Warschauer Pakt sowie im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe mitarbeiten wolle. Währenddessen befürchteten die Regierungen der DDR und Polens ein "Übergreifen der Liberalisierungswelle"5 auf ihre Länder. Dies veranlasste die Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes, den Druck auf die Tschechoslowakei zu verschärfen, um den Reformkurs aufzuhalten oder zumindest abzubremsen.

Trotz intensivsten Bemühungen seitens der Sowjetunion und ihren Verbündeten liess sich der Reformkurs nicht mehr aufhalten, hatte er doch sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Partei längst an Eigendynamik gewonnen. Den Höhepunkt dieser Eigendynamik bildete das am 27. Juni 1968 veröffentlichte "Manifest der 2000 Worte"6. Das Manifest, welches in den darauffolgenden Wochen von über 10'000 Menschen unterschrieben wurde, griff das ab 1948 vorherrschende kommunistische System in der CSSR an, verurteilte die alte KP-Führung wegen Inkompetenz sowie Korruption und forderte zu Streiks, Demonstrationen und Boykotten auf. Da diese Aufforderungen eine Gefährdung der neuen Reformpolitik darstellten, distanzierte sich die tschechoslowakische Regierung von dem Manifest. Auch Moskau war der Ansicht, dass die Situation in der Tschechoslowakei langsam aber sicher ausser Kontrolle gerate. In einem gemeinsamen Brief an die Führung der KPC wiesen die Sowjetunion, Bulgarien, Polen, Ungarn und die DDR darauf hin, dass die momentane Entwicklung in der CSSR "gemeinsame Angelegenheit aller kommunistischen Staaten"7 sei und sie eine "Lostrennung der Tschechoslowakei von der sozialistischen Gesellschaft"8 nicht dulden würden.

Die Lage verschärfte sich zusehends, auch wenn die Führung der tschechoslowakischen KP weiterhin ihre Verbundenheit mit den anderen sozialistischen Ländern beteuerte und bilaterale Verhandlungen mit der Sowjetunion führte. Es folgten verschiedene Konferenzen und Gespräche, doch die dem Reformkurs kritisch gegenüberstehenden Warschauer-Pakt-Staaten waren nicht gewillt, diesen hinzunehmen. Daran änderten weder die offenkundige Unterstützung der Bevölkerung für die Reform noch die Verhandlungsbemühungen der tschechoslowakischen Regierung etwas.

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 marschierten sowjetische Boden- und Luftlandetruppen in der Tschechoslowakei ein. Unterstützt wurde die Sowjetunion von Truppenkontingenten der DDR, Polens, Ungarns und Bulgariens. Zwar verurteilte die tschechoslowakische Regierung die Invasion als Verstoss gegen die staatliche Souveränität und das Völkerrecht, gleichzeitig forderte sie aber die Armee und die Bevölkerung auf, keinen Widerstand zu leisten.

Obschon bei der Invasion an die 70 Menschen ihr Leben verloren, beschränkte sich die Zivilbevölkerung auf gewaltlosen Widerstand und einen einstündigen, landesweiten Generalstreik. Im Nachhinein rechtfertigte die Sowjetunion ihr Vorgehen, welches weltweit heftig verurteilt wurde, mit der sogenannten "Breschnew-Doktrin"9 von der "begrenzten Souveränität der sozialistischen Staaten"10 und der "gemeinsamen internationalen Pflicht zur Verteidigung des Sozialismus."11

Mann vor Panzer

Panzer gegen den Prager Frühling: Mit gewaltlosem Widerstand
versuchte die Zivilbevölkerung Bratislavas am 21. August 1968 die
Panzer des Warschauer Pakts zu stoppen. Foto: Ladislav Bielik

Einige Reformpolitiker, darunter Parteichef Dubcek, wurden wenige Stunden nach der militärischen Intervention nach Moskau gebracht, wo sie sich bereit erklären mussten, die Reform rückgängig zu machen, die Zensur wiedereinzuführen und der Stationierung sowjetischer Truppen zuzustimmen. Als Gegenleistung durften sie vorerst im Amt bleiben, weil nur sie das Vertrauen der Bevölkerung besassen.

Am 14. Oktober 1968 wurde die dauerhafte Stationierung sowjetischer Streitkräfte in der Tschechoslowakei vertraglich besiegelt. Nach einiger Zeit, als sich die ganze Aufregung wieder etwas gelegt hatte, unterzog sich die KPC umfangreichen Säuberungsaktionen. Dabei wurde der Parteivorsitzende Alexander Dubcek von Gustav Husak abgelöst und schliesslich aus der Partei ausgeschlossen. Unter der Führung Husaks, der im Mai 1975 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, verfolgte die CSSR eine Politik der "Normalisierung"12 gegenüber der Sowjetunion und hielt den von ihr vorgegebenen Kurs ein. Dies änderte sich erst 1989, als sich in der Tschechoslowakei ein Regimewechsel vollzog.13

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Quellenverzeichnis

1 Pfetsch, Frank, Konflikte seit 1945, Europa, Verlag Ploetz Freiburg, Würzburg 1991, S. 104back #1
2 Pfetsch, Frank, S. 105back #2
3 Pfetsch, Frank, S. 105back #3
4 Boesch, Joseph, Schläpfer, Rudolf, Weltgeschichte 2, Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, Orell Füssli Verlag, Zürich 1997, S. 317back #4
5 Pfetsch, Frank, S. 105back #5
6 Pfetsch, Frank, S. 105back #6
7 Pfetsch, Frank, S. 106back #7
8 Pfetsch, Frank, S. 106back #8
9 Pfetsch, Frank, S. 107back #9
10 Pfetsch, Frank, S. 107back #10
11 Pfetsch, Frank, S. 107back #11
12 Pfetsch, Frank, S. 107back #12
13 Pfetsch, Frank, S. 104-107back #13
  

Links zum Thema

1.

Prager Frühling
Der tschechoslowakische Reformversuch im Überblick.
URL: http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/.../EntwicklungenImOsten/pragerFruehling.html

2.

Alexander Dubcek, 1921-1992
Biographie des Reformpolitikers.
URL: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/DubcekAlexander/index.html

3.

Als die Schriftsteller revoltierten
Im Sommer 1967 wurde ein Kongress zum Vorboten des Prager Frühlings. Eine Zeitreise in die Vergangenheit.
URL: http://www.oeko-net.de/kommune/kommune8-97/TPRAG67.html

4.

Geschichte von Radio Prag
Auf den Spuren der Radio Pioniere, kurze Zeit der Hoffnung, in den Diensten der neuen Ideologie, der Prager Frühling, wieder im alten Geleise, die samtene Revolution.
URL: http://voskovec.radio.cz/deutsch/geschichte.html

5.

Gedenken an den Prager Frühling
Vor 30 Jahren wurde Reformprozess beendet - Zeman: Heldenmut wich schnell der Kollaboration.
URL: http://www.welt.de/daten/1998/08/22/0822au77224.htx

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